Aktualisiert am January 12, 2024
Um ehrlich zu sein, ist meine Geschichte recht gewöhnlich: Ich bin im Juli 2019 nach Berlin gezogen, in der Hoffnung beruflich neu durchzustarten und um endlich mit meinem deutschen Partner zusammenzuleben.
Die, die mich wirklich kennen, waren nicht wirklich überrascht, denn ich habe Reisen und Sprachenlernen schon immer geliebt. Bevor ich nach Berlin gekommen bin, habe ich auch schon in anderen Ländern gelebt. Deutschland hat mich seit etwa neun Jahren interessiert, also hat es nicht lange gedauert, bevor ich mich entschieden habe, hierherzuziehen.
Wie ich mich vier Monate später fühle? Lies weiter und erfahre mehr über meine Erfahrung als frischgebackene portugiesische Einwanderin.
Es war wirklich eine große Hilfe, einen deutschen Partner zu haben, der mir mit dem Papierkram und den Terminen geholfen hat. Das hat mir sehr viel Zeit gespart und gab mir die Unterstützung, die ich brauchte, während mein Deutsch noch sehr holprig war. Da ich EU-Bürgerin bin, hatte ich nicht die Schwierigkeit, mit denen sich andere Einwanderer konfrontiert sehen, wenn sie nach Deutschland kommen, wie das Visum, Genehmigungen, Befragungen, Sprachnachweise, etc.
Meine ersten Probleme waren eher auf emotionaler, sozialer und kultureller Ebene. Nach Berlin zu kommen, meine besten Freunde, meine Familie und meinen geliebten Job als Lehrerin zurückzulassen, hat mich dazu gebracht, meine Entscheidung anzuzweifeln. Ich war oft überzeugt, dass ich niemals Freunde finden und jahrelang allein sein würde. Die Jobsuche lässt dich auch demütig werden und, in Moment großer Verzweiflung, fragst du dich, ob du überhaupt für irgendetwas zu gebrauchen bist. Die Wochen vergehen und du bekommst das Gefühl, dass du niemals Erfolg haben wirst. Aber während ich immer noch nicht die richtige Ansprechpartnerin für Jobs bin (ich suche immer noch!), habe ich mir ein komplett neues Sozialleben aufgebaut, mit vielen neuen Freunden, mit denen ich mich oft treffe.
Es gibt einen großen Unterschied zwischen Berlin und dem Rest des Landes: Berlin ist eine Durchgangsstadt. Viele Leute kommen nur für ein paar Monate oder Jahre her und gehen zurück in ihre Heimatländer oder ziehen in ein anderes europäisches Land. So kann man zwar viele interessante Leute kennenlernen, aber es frustriert auch. Ich persönlich mochte es schon immer mehr, einige enge Freunde zu haben statt viele oberflächliche. Jedes Mal, wenn ich angefangen habe, mich mit jemandem zu unterhalten, auf der Straße, im Supermarkt oder im Café, musste ich enttäuscht feststellen, dass diese Person, mit der ich soviel zu tun hatte, bald wieder weg sein würde. Als jemand, die noch keinen Job hat und nicht studiert, finde ich es sehr schwer Freunde zu finden, die wirklich in Berlin leben und auch bleiben wollen.
Dieses Problem habe ich gelöst, indem ich einen Deutsch-Intensivkurs in einer Sprachschule hier angefangen habe. Dadurch konnte ich Leute treffen, die mehr so sind wie ich: Ihr Ziel war es Deutsch zu lernen, um ihre Karrierechancen zu erhöhen, einen besseren Job zu finden und sich an die neue Stadt zu gewöhnen, etc. Auch von ihnen wollen viele irgendwann wieder gehen, aber ich habe so meine Chancen verbessert.
Als Portugiesin hörte ich in meiner Kindheit oft, dass Deutsche unglaublich organisiert…aber auch sehr kühl sind. Dass es schwierig ist, eine Beziehung zu ihnen, geschweige denn eine Freundschaft aufzubauen. Meiner Erfahrung nach ist das totaler Quatsch.
Die Deutschen, die ich bisher getroffen habe, waren offen für neue Leute, Spaß, Gespräche über Gott und die Welt und haben mir manchmal sogar geholfen, hier anzukommen. Einige Deutsche haben mich vom ersten Treffen an umarmt, begeistert von meinem Heimatland erzählt und sind weit über das Normale hinausgegangen, um mir ein Gefühl von Heimat zu geben.
Ich denke, der größte kulturelle Unterschied im Vergleich zu Portugal ist die Ehrlichkeit, mit der dir Deutsche von Anfang an ihre Meinung sagen. Sie versuchen nicht wirklich, ihre Gedanken in Form zu bringen, um Andere zu schonen oder höflich zu sein. Für sie ist es nicht unhöflich, sofort sehr direkt zu jemandem zu sein, auch wenn sie die Person das erste Mal treffen. In Portugal neigen wir dazu, uns indirekter und diplomatischer auszudrücken, wenn wir jemanden zum ersten Mal sehen. Außerdem haben die Deutschen eine weniger ausdrucksstarke Körpersprache und Tonfall. Und ich? Ich fuchtle wild mit den Armen.
Eines der wenigsten Dinge, die ich früh verstanden habe, war, dass Berlin absolut nichts mit dem Rest von Deutschland zu tun hat. Berlin hat seine eigene Kultur (manche Deutschen sagen, gar keine!), sein eigenes Ökosystem, seine eigene Art, die Dinge zu tun. Es ist für mich also schwierig über unverfälschte deutsche Kultur in Berlin zu sprechen. Viele Klischees, die ich mein Leben lang über Deutsche gehört habe, treffen auf Berlin überhaupt nicht zu.
Eins davon war, dass Deutsche sehr pünktlich sind. Mir ist es jetzt öfter passiert, dass mir Deutsche gesagt haben, ich sei deutscher als sie, weil ich zu früh zu Treffen und Verabredungen gekommen bin! Berlin scheint bei dem Thema sehr entspannt zu sein, weil hier viele Ausländer zusammenleben und sich die verschiedenen Gewohnheiten aneinander angleichen.
Trotzdem: Wenn ihr plant, nach Berlin zu ziehen, seid pünktlich. Das zeigt Respekt und es gibt auch viele Deutsche, die in Berlin leben, aber von dort kommen und die darauf vertrauen, dass ihr pünktlich seid.
Ich habe festgestellt, dass Berliner nicht mehr oder weniger spontan sind als Portugiesen, wenn es um ihr Sozialleben geht. Sie mögen zwar ein bisschen Planung, Organisation und Struktur für die kommenden Monate, aber sie spontanen Plänen und Ideen auch nicht abgeneigt. Es passiert tatsächlich recht häufig, dass sie den Abend in einer Bar beginnen und später losziehen, um andere Orte zu entdecken (Barhopping, sozusagen!), wenn ihnen danach ist! Sie sitzen auch oft in „Spätis“, ein Konzept, das es in Portugal nicht gibt.
Der einzige Tag, an dem du nicht spontan sein darfst, ist der Sonntag: alles ist geschlossen! In Portugal könntest du dich zum Beispiel spontan entschließen, ins Einkaufszentrum zu gehen, um Lebensmittel, Klamotten oder ein Geschenk zu kaufen oder mit Freunden abzuhängen. In Berlin ist das nicht möglich. Außerdem sind wir in Portugal daran gewöhnt, mit unseren Freunden bis Mitternacht im Einkaufszentrum zu sitzen. Das gibt es in Deutschland auch nicht. Die meisten Einkaufszentren schließen um 21 Uhr, auch der Food Court.
Ein Gespräch mit Deutschen zu überleben, kann ziemlich interessant werden, wenn du aus Lateinamerika oder Südeuropa kommst. Portugiesen können echt laut sein. Wir sind daran gewöhnt, mit einer großen Familie zusammenzusitzen. Dabei sprechen wir alle durcheinander, wechseln oft das Thema und lachen laut und herzhaft. Ich habe schon mehrere komische Blicke und auch ein paar Kommentare bekommen, wenn ich einfach das Thema wechsele und das vorhergehende nicht beende!
Was mich auch überrascht hat, war wie sehr Deutsche Spiele und deren Regeln lieben. So ist es zum Beispiel nicht unüblich für Deutsche sich zu treffen und Brett- oder Kartenspiele mitzubringen, um ein bisschen Unterhaltung zu haben – auch wenn du jemandem zum ersten Mal triffst! Ich kann mich ehrlich gesagt nicht daran erinnern, wann ich sowas das letzte Mal in Portugal gemacht habe. Bei unseren Treffen steht Essen, Drinks und Quatschen im Mittelpunkt. Brettspiele spielen überhaupt keine Rolle! (Aber in Berlin gibt es trotzdem noch die Drinks!)
Und; meine lieben Portugiesen: Bitte zieht eure Schuhe aus, wenn ihr zu jemandem nach Hause kommt. Ich weiß, in Portugal macht man das nicht (dort kann es sogar ein Zeichen sein, dass du dich schon zu wohl fühlst), aber hier in Deutschland ist das üblich!
Die größten Unterschiede zwischen der deutschen und der portugiesischen Kultur liegen in den kleinen Dingen. So ist es zum Beispiel für den Briefträger total normal, dein Paket beim Nachbarn abzugeben, wenn du nicht zu Hause bist, statt einen Zettel im Briefkasten zu lassen, dass du es abholen sollst.
Und wusstest du, dass du in Berlin immer Bargeld dabeihaben solltest? Viele Orte – ja, auch Cafés, Restaurants und sogar Läden in Einkaufszentren – nehmen keine EC-Karte. Portugiesische Geschäfte dagegen nehmen immer die Karte, außer vielleicht in abgelegenen Dörfern oder kleineren Cafés.
Ich kann dir nur wärmstens empfehlen, in Berlin zu wohnen. Die Stadt ist kreativ und schäumt über vor Ideen, talentierten Leuten, Kulturen aus der ganzen Welt und vielen interessanten Aktivitäten – für jeden ist etwas dabei! Wenn du aber das traditionelle Deutschland kennenlernen möchtest, ist Berlin nicht der richtige Ort, um deine Klischees zu bestätigen oder zu widerlegen. Die Stadt hat sich verändert, um eine Vielzahl an Kulturen willkommen zu heißen.
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