Von Jakob Straub
Aktualisiert am April 18, 2023
Wie viele Sprachen gibt es in der Schweiz? –
Genau, es gibt vier Landessprachen: Schweizerdeutsch, Französisch, Italienisch – und Romanisch. Weil nur 0,5 % der Schweizer Bevölkerung Romanisch spricht und der Status der Sprache nur teilweise offiziell ist, liegt es auf der Hand, welche der vier Sprachen nicht wie die anderen ist. Dürfen wir vorstellen: Romanisch, die vierte Sprache der Schweiz.
Romanisch hat viele andere Bezeichnungen: Romansch, Rumantsch, Romontsch, Rumauntsch und Rumàntsch, weil es fünf regionale Dialekte gibt. Romanisch (oder auch Bündnerromanisch oder Rätoromanisch) gehört zu den romanischen Sprachen und ist die vierte Sprache der Schweiz. Heute wird sie vorwiegend im Kanton Grisons beziehungsweise (auf Schweizerdeutsch) Graubünden gesprochen.
Als romanische Sprache stammt Romanisch vom Lateinischen ab, so wie es im Römischen Reich gesprochen wurde. Wegen der Abgeschiedenheit der Region, in der es gesprochen wird, bildet Romanisch unter den romanischen Sprachen eine Ausnahme. Durch den intensiven Kontakt mit Deutsch ist die Ähnlichkeit zwischen den beiden Sprachen im Wortschatz und manchmal auch in der Syntax ein auffälliges Merkmal des Romanischen.
Innerhalb der romanischen Sprachen gehört das Romanische zum galloromanischen Zweig, ebenso wie das Französische, Lombardische und Okzitanische. In der Linguistik wird Romanisch von manchen der rätoromanischen Untergruppe der galloromanischen Sprachen zugeordnet, wo sich auch Friaulisch und Ladinisch befinden. Dies basiert auf der Annahme, dass rätoromanische Sprachen von einer gemeinsamen Sprache abstammen. Dagegen geht eine andere Sichtweise davon aus, dass sich rätoromanische Sprachen wegen ihrer geografischen Isolation ähneln. Wichtig ist hierbei, dass Romanisch, Friaulisch und Ladinisch keine Dialekte des Italienischen sind und Sprecher des Romanischen ihre eigene Sprache als getrennt vom Italienischen oder anderen romanischen Sprachen betrachten.
Es gibt fünf Dialekte im Romanischen, von denen jeder eine standardisierte Form hat, die „Idiom“ genannt wird und genutzt wird, um sie von der lokalen Alltagssprache, bekannt als Dialekt, zu unterscheiden. Die fünf romanischen Idiome sind:
Surselvisch: Der Name der am häufigsten gesprochenen romanischen Varietät stammt aus der Region Surselva. Der Name selbst bedeutet über („sur“) dem Wald („selva“). Surselvisch wird im Vorderrheintal in der Schweiz gesprochen.
Unterengadinisch: Das Idiom des Unterengadin und der Val Müstair ist mit etwa sechseinhalbtausend Sprechern die am zweithäufigsten gesprochene romanische Varietät.
Oberengadinisch: Ungefähr fünfeinhalbtausend Menschen sprechen dieses Idiom im Oberengadin sowie in dem Dorf Brail.
Surmeirisch: Knapp dreitausend Menschen sprechen diese Varietät des Romanischen in den Tälern der Flüsse Gelgia (Julia) und Alvra (Albula).
Sutselvisch: Diese romanische Varietät ist in ihrer historischen Region seit Beginn des 20. Jahrhunderts weitestgehend ausgestorben und hat heute nur noch etwas mehr als tausend Sprecher im Hinterrheintal.
Die Kunstsprache Rumantsch Grischun wurde 1982 von dem Züricher Linguisten Heinrich Schmid entwickelt. Das Ziel war eine gemeinsame romanische Standardsprache, insbesondere für die Repräsentation in offiziellen Texten. Trotzdem liegt die Entscheidung, ob Rumantsch Grischun verwendet wird, bei den einzelnen Institutionen. Sprecher des Romanischen verwenden die Kunstsprache im Allgemeinen nicht, sondern stattdessen eher ihren Dialekt.
Ungefähr 15 v. Chr. fielen die Römer in Rätien ein, dem heutigen Graubünden, und eroberten es. Die Kombination aus dem von den römischen Soldaten gesprochenen Latein und dem Rätischen ergab Romanisch. Bis zum 15. Jahrhundert war Romanisch die primäre Sprache der Region. Zu diesem Zeitpunkt bildeten die Drei Bünde die erste Version des Kantons.
Deutsch war die erste Sprache der Schweiz. Romanisch zerfiel dann in die fünf Dialekte der entlegenen Bergdörfer in der Region. Weil jeder Dialekt eine eigene geschriebene Version hat, entwickelte sich Romanisch nicht so wie Deutsch und Französisch in der Schweiz. Der Kanton unterstützt außerdem die Verwendung von Deutsch, was heute die führende Sprache in Graubünden ist.
Im Mittelalter erstreckte sich das Gebiet der Romanischsprechenden bis zum Bodensee. Heute ist Graubünden der Kanton, der für Romanisch bekannt ist. Bis zum 17. Jahrhundert, also bis es deutschsprachig wurde, gab es auch im Vinschgau in Südtirol Romanischsprechende. Was als traditionelles romanischsprachiges Gebiet bezeichnet wird, liegt vollständig in Graubünden: 121 Gemeinden, in denen die Mehrheit zwischen 1860 und 1888 bei der Schweizer Volkszählung Romanisch als ihre Muttersprache angab.
In dieser traditionellen Region gaben im Jahr 2000 noch immer 66 Gemeinden eine romanische Mehrheit an. In 18 Gemeinden dieses traditionell romanischsprachigen Gebiets ist die Sprache ausgestorben oder wird nur noch von einer Minderheit gesprochen. In der Region Surselva sprechen knapp 80 % der Bevölkerung die Sprache immer noch aktiv. In der Region Sutselva hingegen ist die Sprache nahezu ausgestorben. Etwa 30 Prozent der Bevölkerung im Oberengadin spricht Romanisch, während Sprecher des Romanischen im Unterengadin mit 60 % die Mehrheit bilden. Der Großteil der Romanischsprechenden außerhalb des traditionellen Gebiets lebt in Chur, der Hauptstadt von Graubünden, sowie in anderen größeren Städten in der Schweiz.
In der Schweiz gibt es vier Landessprachen, nämlich Schweizerdeutsch, Französisch, Italienisch und Romanisch. Aber jeder Kanton kann selbst entscheiden, welche dieser vier Sprachen den Status einer offiziellen Sprache haben sollte. Auf Bundesregierungsebene sind alle vier Sprachen offiziell. Der Kanton Graubünden hat Romanisch zur offiziellen Sprache erklärt.
Eine Volksabstimmung verlieh Romanisch 1938 den Status der Landessprache, und das mit einer überwältigenden Mehrheit von 90 Prozent der Stimmen. Aber noch wichtiger ist ein Referendum von 1996, durch das Romanisch teilweise zur offiziellen Sprache wurde: Heute ist es die „offizielle Sprache für die Korrespondenz mit romanischsprachigen Menschen“. Bürgerinnen und Bürger, die Romanisch sprechen, können die Bundesregierung in jedem romanischen Dialekt kontaktieren und erhalten eine Antwort in Rumantsch Grischun.
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