Von Sandra Köktas
Aktualisiert am March 24, 2023
Schweizer Literatur wird oft im Deutschunterricht gelesen. Die Klassiker der Schweizer Literatur von Autoren wie Hermann Hesse sind zugleich Titel der Weltliteratur. Ähnliches gilt für die Schweizer Autoren, die auf Französisch oder Italienisch schreiben. Schweizer Autoren fanden beim größeren Nachbarn mehr Käufer für ihre Werke. Je nach Zeit und Umständen brachte der Blick über die Grenze aber auch frischen Wind in die Schweizer Literatur oder gab den Anstoß, sich auf das typisch Schweizerische zu besinnen. Immer aber gelingt den Autoren von Rang der Blick auf das allgemein Menschliche, was die Lektüre unabhängig von Raum und Zeit zu einem lehrreichen Vergnügen macht. Von romantischer Alpenidylle bis zu halluzinogenen Pilzen – wir haben sieben Klassiker und Bestseller der Schweizer Literatur ausgewählt und kurz vorgestellt.
Mit “Der grüne Heinrich” hat Gottfried Keller 1854/55 einen der bedeutendsten Bildungsromane aller Zeiten vorgelegt. In Form einer Autobiografie erzählt der Autor die Geschichte eines Künstlers, der alles gibt und doch scheitert. Dabei bezieht er sich jedoch nicht immer auf seine eigene Biografie, was den Roman nur teilweise autobiografisch macht.
Mit Heidi schuf die Autorin Johanna Spyri eines der meistverkauften Kinderbücher aller Zeiten. Der Klassiker der Schweizer Literatur wurde mehrfach verfilmt und ist nicht zuletzt deshalb auch fast 150 Jahre nach Erscheinen noch jedem Kind bekannt. Die Geschichte der kleinen Adelheid, kurz Heidi, erstreckt sich eigentlich über zwei Bücher: “Heidis Lehr- und Wanderjahre” und “Heidi kann brauchen, was es gelernt hat” aus den Jahren 1880 und 1881. Schauplatz sind die Schweizer Alpen. Mit ihrer realistischen Erzählweise über die Herausforderungen von Veränderungen und dem romantischen Heimatbild hebt sich die Geschichte von den Strömungen der europäischen Literatur ab.
Entgegen der Alpenromantik suchte die Generation Robert Walsers um die Jahrhundertwende die Inspiration im Leben der Großstadt. Viele Autoren zog es nach Berlin, das andere Umfeld gab der Literatur der Schweiz eine neue Richtung. Hier entstand auch Walsers zweiter Roman “Der Gehülfe”, in dem der Autor seine frühere Anstellung bei einem Erfinder in der Schweizer Idylle am Zürichsee aus der neuen Erfahrung im Ausland heraus Revue passieren lässt.
Das Werk des 1946 mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichneten Autors entsteht unter dem Eindruck einer zunehmenden Verstädterung und Industrialisierung. Im “Steppenwolf” aus dem Jahr 1927 werden wir Zeugen der Lebenskrise des Protagonisten Harry Haller in der Massengesellschaft der Industrialisierung. Dieser leidet unter einer inneren Zerrissenheit zwischen seiner angepassten und seiner eher einsamen, steppenwölfischen Seite.
Die im Ausland reich gewordene Claire Zachanassian kehrt in ihre Schweizer Heimat zurück und bietet den Dorfbewohnern eine Milliarde, wenn jemand ihren ehemaligen Liebhaber umbringt. In der 1956 uraufgeführten tragischen Komödie geht es um Fragen von Gerechtigkeit, Schuld und Rache.
In “Homo Faber” aus dem Jahr 1957 werfen wir einen Blick ins Zeitalter der Technik, in dem Menschen wie der Protagonist Walter Faber durch Wissenschaft und Logik alles unter Kontrolle haben. Dies geht so lange gut, bis sie mit den Zufällen und Wirren des Lebens konfrontiert werden. Aktuell bleibt dieses Werk, da wir uns auch heute offenbar in Technik flüchten und uns von unserer eigenen Endlichkeit ablenken wollen.
Was ist wirklich, was nicht? Martin Suter verdanken wir so manchen Bestseller der Schweizer Literatur. In “Die dunkle Seite des Mondes” lässt er 2000 seinen Protagonisten Urs Blank eine Midlife-Crisis durchleiden, in der ein Pilztrip sein Leben auf den Kopf stellt. Aus dem erfolgreichen Anwalt wird ein gewalttätiger Einsiedler auf der Flucht vor der Gesellschaft und der Suche nach Rettung. Bis ihn sein früheres Leben einholt.
Die vorgestellten Titel sind alle in deutscher Sprache geschrieben und als solche auch Teil der deutschsprachigen Literatur. Im Deutschunterricht gehören viele von ihnen zur Pflichtlektüre. Tatsächlich war und ist Deutschland der größte Absatzmarkt für deutschsprachige Schweizer Autoren. Ähnlich verhält es sich mit den anderen Landessprachen: Französisch, Italienisch und Romanisch. Mit Ausnahme des Romanischen, das für sich steht, sind die Schweizer Werke zugleich Teil der Literatur des Landes, mit dem sie sich die Sprache teilen. Das sollte allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Literatur der Schweiz ihre eigenen Wege gegangen ist. Insbesondere der Erste und Zweite Weltkrieg haben aus politischen Gründen auch eine kulturelle Besinnung auf die Schweiz gefördert. Nicht zu vergessen ist auch, dass das Deutsch der Schweiz nicht identisch ist mit dem Deutsch, das in Deutschland oder Österreich gesprochen wird. Tatsächlich zerfällt die deutschsprachige Schweiz in Regionen mit eigenen Dialekten. Diese wurden schon seit dem 18. Jahrhundert in der Literatur gepflegt. Ein modernes Beispiel ist die 2004 gegründete Autorengruppe “Bern ist überall”.
“Heidi”, Hesse, Suter. Die deutschsprachige Literatur der Schweiz hat einige Klassiker und viele Bestseller hervorgebracht. Dabei bewegt sie sich – genau wie die Literatur der französisch- und italienischsprachigen Schweiz – in einem Spannungsverhältnis zum Nachbarn Deutschland, der Absatzmarkt für die Schweizer Literatur, Inspiration und Gegenbild zugleich ist. Viele Klassiker haben ihren festen Platz in der Weltliteratur. Aber auch junge Autoren werden übersetzt und auf der ganzen Welt gelesen. Mit welchem machst du den Anfang?
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