Von Adriana Stein
Aktualisiert am January 12, 2024
Die kulturelle Identität kann für jeden Expat zu einem schwierigen Punkt werden. Es entsteht ein neues Gefühl für Heimat, du lernst eine neue Sprache und entwickelst neue Gewohnheiten, basierend auf der neuen Kultur. Das alles ist jedoch ein ganz normaler Teil des Auswanderungsprozesses. Wenn du dich also komisch fühlst, weil sich deine kulturelle Identität verändert, denk daran: Du bist nicht allein.
Die kulturelle Identität macht uns zu der Person, die wir sind und gibt uns ein Zugehörigkeitsgefühl zu bestimmten Gruppen. Sie umfasst viele Aspekte unseres Lebens, wie:
Auch wenn du noch an dem Ort lebst, in dem du geboren wurdest, kannst du mehrere kulturelle Identitäten haben. Schon wenn zum Beispiel deine Eltern aus verschiedenen Ländern kommen, wächst du mit mindestens zwei verschiedenen Kulturen auf. Wie auch immer deine Situation sein mag, deine kulturelle Identität ist so, wie du sie beschreibst und selbst das kann sich mit der Zeit ändern.
Was passiert mit der kulturellen Identität, wenn man in ein neues Land zieht? Sehr viel mehr, als ich erwartet hatte. Ich bin vor vier Jahren von den USA nach Hamburg gezogen, um nochmal neu anzufangen. Einer der Gründe, warum ich hierhergekommen bin, war, dass die deutsche und amerikanische Kultur auf den ersten Blick gar nicht so verschieden zu sein schienen. Aber je länger ich hier war, desto mehr bemerkte ich, dass sie doch sehr unterschiedlich sind und so, wie mich diese Unterschiede beeinflusst haben, veränderten sie auch meine kulturelle Identität.
Ob die Veränderungen der Identität, die man als Expat erlebt, positiv oder negativ sind, hängt vom Einzelnen ab. Für mich ist es ein bisschen von beidem. Es gibt einige Aspekte der deutschen Kultur, die ich begeistert übernommen habe und liebe. Bei anderen hingegen erschließt sich mir der Sinn dahinter nicht. Wenn du dich dazu entscheidest, ein Expat zu werden, kannst du nicht erwarten, dass das neue Land in dem du lebst, dich nicht verändern wird. Das ist unvermeidlich. Und das war es auch, was ich erleben wollte, nachdem ich in einem kleinen Dorf in Oregon aufgewachsen bin, in dem es mehr Kühe als Menschen gibt.
Was sich also langsam in mir zu entwickeln begann, waren zwei Identitäten. Da gibt es einmal mich, die „Amerikanerin“ und mich, die „amerikanische Expat in Deutschland“. Ich kann hier nicht sagen, dass ich Deutsche bin, denn ich habe nicht das Gefühl lange genug in Deutschland gelebt zu haben (obwohl auch das natürlich wieder von der Person abhängt). Das sind also zwei total verschiedene Identitäten von mir, weil sie aus ganz anderen Dingen bestehen. So will meine „amerikanische“ Identität zum Beispiel, überallhin mit dem Auto fahren, meine „amerikanische Expat in Deutschland“ Identität hat sich total daran gewöhnt, kein Auto zu haben und sich auf die öffentlichen Verkehrsmittel zu verlassen.
Ich habe mich immer gefragt, was „Heimat“ oder „Zuhause“ für mich bedeutet. Ist Oregon meine Heimat? Ist Hamburg mein Zuhause? Wie lange muss ich in Hamburg leben, um es mein Zuhause zu nennen? Kann ich mehr als eine Heimat haben? Auf diese Fragen gibt es keine richtige oder falsche Antwort. Der Schluss, zu dem ich gekommen bin, ist, dass mein „Zuhause“ viel mit den Menschen um mich herum zu tun hat. Wenn ich mich wirklich gut mit der Person fühle, mit der ich gerade Zeit verbringe und Spaß an dem habe, was wir machen, dann fühle ich mich zu Hause. Ich fühle mich zu Hause, wenn ich am Wochenende mit meinem Partner Netflix schaue (da entwickelt sich gerade eine dritte Identität, da er Türke ist), aber auch, als ich beispielsweise mit anderen Expats einen Roadtrip durch Island gemacht habe.
Ich habe mal jemanden getroffen, der die Frage nach seiner Herkunft mit „Ich bin ein Weltbürger“ beantwortet hat. Er wurde in Frankreich geboren, hat aber in seiner Kindheit 10 Jahre in Indien verbracht, dann in Russland, der Schweiz und später in Deutschland gelebt. Er sagte, er habe keine Muttersprache und keine Nationalidentität. Er war eine bunte Mischung ohne feste Wurzeln. Auch wenn er vielleicht ein Extrembeispiel ist, habe ich diese Antwort immer in Erinnerung behalten. Irgendwie fühle ich mich dann besser damit, nicht eine Identität oder eine Heimat für immer wählen zu müssen.
In den meisten Fällen bedeutet ein neues Land auch eine neue Sprache. Aber selbst wenn du in ein Land ziehst, in dem man die gleiche Sprache spricht, wirst du einige Unterschiede bemerken. Sprachen sind lokal geprägt, daher gibt es sogar innerhalb eines Landes verschiedene Dialekte, Akzente und Wörter.
Als ich nach Hamburg gezogen bin, musste ich zunächst einmal meine Art, Englisch zu sprechen, verändern, denn die meisten Europäer lernen Britisches Englisch. Ich musste „flat“ gegen „apartment“ und „lift“ gegen „elevator“ austauschen, um sicherzugehen, dass die Leute mich verstehen. Jetzt, da ich hier bereits einige Jahre gelebt habe, glaube ich, dass ich gar kein richtiges Amerikanisches Englisch mehr sprechen kann. Wenn ich mit meiner Familie telefoniere, fällt es mir schwer, mich an bestimmte amerikanische Ausdrücke zu erinnern. Außerdem sagt meine Schwester, dass ich nicht mehr ordentlich „yeah!“ sage.
Als ich angefangen haben Deutsch zu lernen, veränderte sich meine Sprechweise stark. Je besser ich wurde und je mehr ich sprach, desto mehr englische Wörter vergaß ich. Außerdem entwickelte ich eine andere Persönlichkeit, wenn ich Deutsch sprach, denn die Sprache basiert naturgemäß auf der Kultur. Wenn ich Deutsch spreche, bin ich wesentlich energischer und ernster, als wenn ich Englisch spreche.
Letztendlich kann ich nur nochmal betonen, dass sich die kulturelle Identität verändern wird. Wenn du ein Expat bist, solltest du dich einfach treiben lassen.
Wenn du ein Expat bist, wird sich vermutlich auch deine Definition von Familie verändern (besonders, wenn es dir so geht wie mir und deine Familie am anderen Ende der Welt ist). Ich stellte bald nach meinem Umzug fest, dass meine Haltung zu Freunden eine komplett andere war als in den USA. Hatte es mir früher gereicht, mit Freunden ein Bier trinken zu gehen, war ich hier viel fokussierter darauf, Freunde zu finden, die ich auch anrufen konnte, wenn ich Hilfe brauchte und jemanden, der versteht, wie schwer es sein kann, ein Expat zu sein.
Sofern du keine besondere Art von Mensch bist, brauchst auch du deine Familie. Sie ist es, die uns Halt gibt und wegen der wir uns geliebt fühlen. Als Expat habe ich gelernt, dass sich eine Familie nicht über Tradition, Religion, noch nicht mal über die gleiche Sprache definieren muss. Familie sind Menschen, die für mich da sind, mich unterstützen und mit mir durch dick und dünn gehen.
Ein anderer Aspekt der kulturellen Identität, den ich so nicht erwartet hatte, war, wie komisch es sich anfühlen würde, wenn ich in mein Heimatland zurückgehe, auch bekannt als umgedrehter Kulturschock. Ja, ich war immer noch Amerikanerin, aber in mir hatte sich etwas verändert. Ich sah die USA in einem komplett anderen Licht und es fühlte sich sogar etwas unangenehm an. Ein Erlebnis, an das ich mich noch gut erinnere, war das erste Mal wieder in einem Café zu sitzen. Es kam mir so laut vor und ich musste überlegen, warum. Ich ahnte, dass es war, weil ich jeden verstehen konnte. Ich war so daran gewöhnt, Menschen, die eine andere Sprache sprechen, auszublenden, einfach weil es so häufig in Deutschland vorkommt. In Hamburg höre ich fast permanent mehr als vier verschiedene Sprachen um mich herum. In den USA hingegen passiert das nicht annähernd so oft. Daraus schloss sich, dass ich nicht nur meine Expatidentität entwickelt hatte, sondern dass diese auch meine ursprüngliche, amerikanische Identität verändert hatte.
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